Tremblement de terre

Das ”tremblement de terre”, das im Text als gemeinsame Erinnerung der beiden Brüder erwähnt ist, bezieht sich unter Umständen auf ein Erdbeben an der Côte d’Azur am 4. und 5. März 1887, kurz nach der Übersiedlung der Brüder von Italien nach Monaco (vgl. -> Richter, 134).

Interessant ist jedoch die Tatsache, daß Apollinaire, indem er den Zeitraum 1885-90 angibt, das Erdbeben mit dem Bau des Eiffelturms (1885-89) parallelisiert ( -> Ondes). In Vendémiaire (Alcools) inszeniert Apollinaire ein Erdbeben als kulturgeschichtlich umwälzendes Ereignis, das sowohl die mythischen Orte der Scylla und der Charybdis zerstört, als auch eine Kapitulation der Sirenen und eine Veränderung der Meeresströmung, eine onde nouvelle auslöst, die metapoetisch für eine neue Poesie steht. Die alles ergreifende, apokalyptische Umwälzung wird als Verabschiedung von einer veralteten, von Antike und Christentum geprägten Kultur zugunsten einer neuen, modernen Kultur gefeiert (Vgl. Krenzel-Zingerle S. 209ff.). Daher ist es sicherlich auch hier nicht zufällig, daß der Bau des Eiffelturms, Emblem der modernen Kultur, mit dem Erdbeben in Zusammenhang gebracht wird.