Eiffelturm

Der Eiffelturm war bei seiner Erbauung anlässlich der Weltausstellung von 1889 als weitgehend zweckfreies Gebäude errichtet, das zunächst wütende Proteste hervorrief. Zeitgenössische Beobachter lehnten den Eiffelturm gerade aus so genannten ästhetischen Gründen ab - vgl. hierzu folgendes Zitat bei Walter Benjamin: “Nous venons, écrivains, peintres, scupteurs, architectes ... protester -... au nom de l’art de de l’histoire français, menacés, contre l’érection en plein coeur de notre capitale de l’inutile et monstrueuse Tour Eiffel ... écrasant de sa masse barbare Notre-Dame, la Sainte-Chapelle, la Tour Saint-Jacques, tous nos monuments humiliés, toutes nos architectures repetissées.” (Louis Cheronnet, zit. bei -> Benjamin, Passagen-Werk V/1, 230 [F8, 2])

Eine zweckgebundene, in erster Linie medientechnische Nutzung des Gebäudes beginnt erst im 20. Jahrhundert. Hier ein kurzer Überblick (vgl. -> Daniels, Kunst als Sendung, 91ff):

- 1903 wird auf dem Eiffelturm eine Funkstation eingerichtet.

- Ab 1908 finden auf dem Eiffelturm Radio-Testsendungen statt (das erste, Aufsehen erregende Experiment wird im Frühjahr 1908 vom Amerikaner Lee de Forest und seiner Frau Nora Blatch durchgeführt, die auf dem Eiffelturm eine Nacht lang Schallplatten auf ein Grammophon legen und diese Musik mittels eines Senders, der bis nach Marseille reicht, übertragen (vgl. -> Medienkonkurrenz).

- Ab 1910 wird vom Eiffelturm zweimal täglich ein Zeitzeichen ausgestrahlt, das Schiffen auf der ganzen Welt die genaue Bestimmung ihres Längengrades und somit die Navigation erleichtert ( vgl. -> Delaunay, -> Simultanismus).

- 1921 schließlich wird der Eiffelturm zum ständigen Radiosender.

Die spätere Nutzung des Turms als Funk- bzw. als Radiostation wurde als eine Art nachträglicher Legitimation des Baus aufgefasst: ”Saluée à l’origine par une protestation unanime, elle est restée aussi laide, masi elle a été utile à l’étude de la télégraphie sans fil.” (Dubech-D’Espezel, zit. bei W. -> Benjamin, Passagen-Werk V/1, 223 [F4a,3]).

Mit seiner neuen Nutzung wird der Eiffelturm auch zum Emblem einer neuen Ästhetik – es kann vermutet werden, dass hierbei die architektonische Konzeption der Überwindung des horizontalen Raums durch luftige Eisenkonstruktionen, drahtlose Sendetechnik und allgemein die Vorstellung einer energetisch geladenen Umwelt miteinander kurzgeschlossen werden. Vgl. dazu stellvertretend S. Giedion: ”In den luftumspülten Stiegen des Eiffelturms, besser noch in den Stahlschenkeln eines Pont Transbordeur, stößt man auf das ästhetische Grunderlebnis des heutigen Bauens: Durch das dünne Eisennetz, das in dem Luftraum gespannt bleibt, strömen die Dinge, Schiffe, Meer, Häuser, Maste, Landschaft, Hafen. Verlieren ihre abgegrenzte Gestalt: kreisen im Abwärtsschreiten ineinander, vermischen sich simultan.” (zitiert bei -> Benjamin, Passagen-Werk V/1, 572 [N1a, 1])

Das Subjekt, das sich die Eisenarchitektur kletternd erschließt (vgl. auch hierzu -> Benjamin, der von der Arbeit des ”schwindelfreien” Philosophen auf einem ”schmale[n], aber tragfähige[n] Gerüst” spricht: Passagen-Werk V/1, 572 [N1a, 1]), wird durch die Berührung mit dem Eisen selbst zu einem Empfänger drahtloser Botschaften nicht nur im übertragenen, sondern in einem physikalischen Sinn (vgl. dazu -> Daniels, Kunst als Sendung, 283f [FN 83 zu Kap. 3], der von populärwissenschaftlichen Anleitungen zum Aufbau von Funkstationen auf den typischen Pariser Eisenbalkonen berichtet, wobei der menschliche Körper bei Berührung eines Metallgegenstand selbst zur Funkantenne wird). (-> Sprechsituation / Subjektivität)